6. Oktober 2025

Papierlose Zukunft: E-Invoicing mehr als nur ein IT-Projekt?

Rechnungen gehören zu den zentralen Dokumenten im Geschäftsleben und jahrzehntelang war Papier dabei der Standard. Doch diese Zeiten gehen zu Ende: Immer mehr Länder verpflichten Unternehmen, Rechnungen ausschließlich elektronisch zu erstellen, zu übermitteln und zu verarbeiten. Das IT-Projekt E-Invoicing steht dabei für weit mehr als das Verschicken einer PDF per E-Mail. Gemeint ist die strukturierte, standardisierte und in vielen Fällen direkt über staatliche Plattformen abgewickelte elektronische Rechnung.

Aktuelle Entwicklungen

Ein Blick nach Europa zeigt, wie unterschiedlich der Fortschritt ausfallen kann: Italien hat bereits vor einigen Jahren eine flächendeckende E-Invoicing-Pflicht eingeführt und damit Maßstäbe gesetzt. Andere Länder wie Polen, Belgien, Frankreich und Deutschland stehen aktuell kurz vor der Umsetzung. Der Trend ist eindeutig: Schritt für Schritt wird E-Invoicing in Europa zur neuen Normalität. Lesen Sie dazu Blogartikel von unseren Kollegen, die einen Blick nach Frankreich, Belgien, UK und Polen werfen.

Noch fortschrittlicher sind lateinamerikanische Länder. Staaten wie Brasilien, Mexiko oder Chile setzen schon seit Jahren konsequent auf E-Invoicing und haben so eine neue Qualität an Transparenz, Effizienz und staatlicher Kontrolle erreicht. Für international tätige Unternehmen bedeutet das: E-Invoicing ist längst keine regionale Besonderheit mehr, sondern entwickelt sich zu einem globalen Standard.

IT Projekt E-Invoicing?

Auf den ersten Blick wirkt das Ganze wie ein rein technisches Thema: ein neues Datenformat, ein paar Schnittstellen und die Sache ist erledigt. In der Praxis steckt jedoch deutlich mehr dahinter. E-Invoicing ist kein reines IT-Projekt, sondern vielmehr ein Organisationsprojekt. Es verändert die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten. Rechnungen werden automatisiert geprüft, schneller freigegeben und nahtlos verarbeitet. Themen wie Prozessoptimierung rücken dabei in den Vordergrund. Nur wenn die Grundlagen wie saubere Stammdatenpflege bis hin zu durchdachtem System-Customizing stimmen, kann die Automatisierung ihr volles Potenzial entfalten.

Hinzu kommt der notwendige Kulturwandel: Das Arbeiten mit Papierstapeln, manuelle Freigaben oder handschriftliche Prüfungen sind Routinen, die zwar jahrzehntelang selbstverständlich waren, jetzt jedoch durch digitale Zusammenarbeit, Transparenz in Echtzeit und datenbasierte Entscheidungen abgelöst werden. Mitarbeitende müssen neue Rollen übernehmen und die Organisation entwickelt neue Formen der Zusammenarbeit.

Damit dieser Wandel gelingt, braucht es ein starkes Change Management. Menschen müssen verstehen, warum sich etwas ändert, wie sie selbst davon profitieren und welche neuen Fähigkeiten gefragt sind. Nur wenn Technik, Prozesse und Menschen zusammengedacht werden, kann E-Invoicing sein volles Potenzial entfalten.

Warum E-Invoicing? – Die Pflicht zur Chance machen

In immer mehr Ländern besteht eine gesetzliche Verpflichtung, Rechnungen ausschließlich elektronisch in festgelegten Standards einzureichen. Ohne Compliance droht die Ablehnung durch Behörden oder Geschäftspartner. Gleichzeitig eröffnet die elektronische Verarbeitung neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen: Einkauf, Buchhaltung und Controlling greifen auf dieselben, aktuellen Daten zu und können Prozesse gemeinschaftlich optimieren.

Diese neuen Möglichkeiten zeigen sich am ehesten, wenn ein Blick in den Arbeitsalltag geworfen wird. Sowohl bei eingehenden als auch bei ausgehenden Rechnungen wird ersichtlich: Der Schritt von Papier und PDF hin zu echten elektronischen Formaten ist mehr als nur ein kleiner Unterschied. Er verändert die Abläufe grundlegend.

Rechnungseingangsverarbeitung – vom Papierstapel zur Dunkelverarbeitung

Für üblich liegt folgendes Szenario vor: Eine Lieferantenrechnung kommt per Post ins Unternehmen. Sie wird geöffnet, manuell erfasst, gestempelt, in Umlauf gebracht und schließlich von mehreren Stellen geprüft. Oft dauert es Tage, manchmal Wochen, bis sie freigegeben ist. Fehler beim Abtippen oder verlorene Belege sind keine Seltenheit.

Ein effizienteres Szenario kann hierbei wie folgt aussehen: Die Rechnung trifft elektronisch im standardisierten Format ein. Das System prüft automatisch, ob Bestellung und Lieferung passen. Stimmen die Daten, kann die Rechnung ohne manuelle Bearbeitung innerhalb weniger Minuten freigegeben und gebucht werden. Nur im Ausnahmefall, etwa bei Abweichungen, wird ein:e Mitarbeiter:in aktiv. So steigen Automatisierungsgrad und Datenqualität spürbar, während Transparenz über den gesamten Prozess jederzeit gewährleistet ist.

Rechnungsausgangsverarbeitung – von Druck und Porto zur Echtzeit-Übermittlung

Im Regelfall gliedert sich der Ablauf folgendermaßen: Nach der Leistungserbringung erstellt die Buchhaltung eine Rechnung, druckt sie aus, kuvertiert und frankiert sie. Bis die Rechnung beim Kunden ist, vergehen mehrere Tage. Erst danach beginnt die Zahlungsfrist und Rückfragen wegen fehlender Angaben oder Formatfehler sind an der Tagesordnung.

Ein optimierter Ablauf kann in diesem Fall wie folgt gestaltet sein: Die Rechnung wird direkt im ERP-System erzeugt, automatisch in das vorgeschriebene Format konvertiert und elektronisch über die jeweilige Plattform übermittelt. Der Kunde erhält sie in Echtzeit, kann sie sofort weiterverarbeiten und bezahlen. Das beschleunigt Zahlungszyklen, reduziert Rückfragen und sorgt dafür, dass Unternehmen ihre Liquidität besser im Blick haben.

Wer E-Invoicing nur als lästige gesetzliche Pflicht betrachtet, übersieht die Chance, Arbeitsabläufe dauerhaft zu optimieren, Kosten zu senken und die Datenqualität zu verbessern. Richtig umgesetzt, wird es zum Motor für effizientere Prozesse und höhere Compliance. In diesem Rahmen spielt auch das Thema „Continuous Transaction Control“ (CTC) eine zunehmend wichtigere Rolle. Dabei müssen Transaktionsdaten (zum Beispiel Rechnungsinformationen) verpflichtend an die Steuerbehörden übermittelt werden, damit diese sie nahezu in Echtzeit prüfen können.

Darüber hinaus unterstützt E-Invoicing Nachhaltigkeitsziele. Weniger Papierverbrauch bedeutet weniger Ressourcen, geringere Umweltbelastung und eine glaubwürdige Ergänzung der Unternehmensverantwortung. Und nicht zuletzt verschaffen sich Unternehmen, die frühzeitig umstellen, einen klaren Wettbewerbsvorteil: Sie sind vorbereitet, wenn neue gesetzliche Anforderungen greifen und positionieren sich als moderne, digitale Geschäftspartner.

Was ändert sich in Zukunft?

Mit der Einführung von E-Invoicing verändert sich weit mehr als nur die technische Art und Weise, wie Rechnungen übermittelt werden. Für Unternehmen bedeutet dieser Schritt einen echten Kulturwandel. Wo bisher Papier, Stempel und manuelle Freigaben den Alltag prägten, rücken künftig digitale Zusammenarbeit, Transparenz und Geschwindigkeit in den Vordergrund. Rechnungsprozesse werden automatisiert, Daten stehen in Echtzeit zur Verfügung und gesetzliche Vorgaben setzen klare Standards für Formate und Übertragungswege. Doch der entscheidende Punkt liegt nicht allein in der Technik, sondern in der Haltung der Organisation.

E-Invoicing zwingt Unternehmen, Routinen zu hinterfragen und Abläufe neu zu denken. Rollen und Verantwortlichkeiten verändern sich: Mitarbeitende, die früher Rechnungen von Hand geprüft oder weitergeleitet haben, übernehmen nun Aufgaben in der Datenqualität, Prozesssteuerung oder im Compliance-Bereich. Das erfordert nicht nur neues Wissen, sondern auch eine Offenheit für kontinuierliches Lernen.

Gleichzeitig entsteht eine neue Form der Zusammenarbeit. Informationen fließen schneller, Entscheidungen können auf Basis von aktuellen Daten getroffen werden, und Schnittstellen zwischen Abteilungen rücken stärker in den Fokus. Damit wächst die Notwendigkeit, Abteilungen zu verbinden und gemeinsam an durchgängigen Prozessen zu arbeiten.

Der Kulturwandel zeigt sich also darin, dass E-Invoicing nicht als isoliertes IT-Projekt zu verstehen ist, sondern als Chance, eine moderne, digitale und transparente Arbeitsweise zu etablieren. Unternehmen, die diesen Wandel aktiv gestalten, profitieren nicht nur von effizienteren Prozessen, sondern stärken auch ihre Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Das geht weit über die Rechnungsabwicklung hinaus.

Und wie kann ein solcher Wandel gelingen? Entscheidend ist, die Mitarbeitenden frühzeitig einzubeziehen, Prozesse klar zu kommunizieren und Raum für Qualifizierung zu schaffen. Wer E-Invoicing als gemeinsames Projekt versteht, in dem Technik, Menschen und Organisation Hand in Hand gehen, schafft die Grundlage für eine nachhaltige Veränderungskultur.

Change Management: Der unterschätzte Erfolgsfaktor

Technologie kann man kaufen, Prozesse kann man neu modellieren. Ob eine Veränderung wirklich im Unternehmen ankommt, entscheidet sich am Ende durch die Menschen. Genau hier liegt die zentrale Rolle des Change Managements.

E-Invoicing verändert nicht nur Abläufe, sondern greift in Gewohnheiten und Routinen ein, die über Jahrzehnte gewachsen sind. Viele Mitarbeitende verbinden mit „Rechnung“ konkrete Bilder: Papier, Unterschriften, Weitergabe von Mappen. Diese Selbstverständlichkeiten fallen weg und sowas sorgt häufig für Verunsicherung. Ohne aktives Change Management bleibt die beste Lösung nur eine technische Hülle, die in der Praxis nicht gelebt wird.

Change Management sorgt dafür, dass aus einer reinen Umstellung ein echter Wandel wird. Es schafft Klarheit, warum die Veränderung notwendig ist, welchen Mehrwert sie bringt und wie jede einzelne Rolle im neuen Prozess aussieht. Es geht nicht darum, Widerstände „wegzudrücken“, sondern sie zu verstehen und ernst zu nehmen. So entsteht Akzeptanz.

Ein zweiter Aspekt ist die Befähigung. Neue digitale Prozesse verlangen andere Fähigkeiten. Sei es beim Umgang mit Daten, in der Zusammenarbeit zwischen Abteilungen oder bei der Nutzung neuer Systeme. Change Management bedeutet, Menschen nicht allein zu lassen, sondern sie Schritt für Schritt mitzunehmen und praxisnah zu unterstützen.

Und schließlich hat Change Management eine kulturelle Dimension: Wer es schafft, Mitarbeitende in den Mittelpunkt zu stellen, baut Vertrauen auf und legt die Basis für eine offene, zukunftsorientierte Haltung im Unternehmen. Gerade bei E-Invoicing ist dies entscheidend, denn hier geht es nicht um eine einmalige technische Einführung, sondern um einen Einstieg in eine dauerhaft digitale Arbeitsweise.

E-Invoicing ist mehr als nur ein IT-Projekt – Wir machen Ihr Unternehmen zukunftsfähig

Die Einführung von E-Invoicing ist weit mehr als ein technisches Projekt. Sie bedeutet einen kulturellen Wandel in den Arbeitsweisen und Prozessen eines Unternehmens. Genau hier setzt adesso business consulting an: Wir begleiten Sie nicht nur bei der technischen Umsetzung, sondern auch bei der Gestaltung und Verankerung neuer Abläufe in Ihrer Organisation. Mit unserer Erfahrung aus zahlreichen Projekten unterstützen wir Sie ganzheitlich: Von der ersten Strategieüberlegung bis hin zur erfolgreichen Umsetzung im Tagesgeschäft. Unser besonderes Fundament dabei: umfassendes SAP-Know-how, das wir gezielt einsetzen, um Ihre Prozesse optimal an die neuen Anforderungen von E-Invoicing anzupassen. Ob Customizing, Stammdatenpflege, Integration in bestehende Systemlandschaften oder die Gestaltung durchgängiger Prozesse – wir bringen die fachliche Tiefe mit, die den Unterschied macht. Wenn Sie mehr zum Thema E-Rechnungen erfahren möchten, finden Sie hier einen weiteren Blogartikel zum Thema „Gesetzliche Anforderungen und digitale Umsetzung mit SAP DRC“. Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!

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Berekat Oduncu

Berekat Oduncu ist Associate Consultant mit Schwerpunkt auf E-Invoicing, internationaler SAP DRC-Implementierung sowie Finance. Er hat beim Aufbau einer internen E-Invoicing-Sandbox mitgewirkt und Expertise im Bereich E-Invoicing/Peppol gesammelt. Mit Branchenkenntnissen in der Fertigungsindustrie, medizinisch-diagnostischen Dienstleistungen und Energiedienstleistungen bringt er wertvolle Erfahrung in Greenfield-Projekten ein.
Alle Beiträge von: Berekat Oduncu und Daniel Giesbrecht

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