4. Dezember 2025

E-Invoicing Exchange Summit Singapur: Warum das Thema die Welt neu ordnet

Die Digitalisierung der Finanz- und Steuerprozesse hat weltweit an Tempo gewonnen und Singapur wurde im Rahmen des E-Invoicing Exchange Summit sowie des APAC Peppol Day für drei Tage zum Mittelpunkt dieser Entwicklung. Drei Tage voller Impulse, Zahlen, Beispiele und Diskussionen machten deutlich: E-Invoicing ist längst kein IT-Projekt mehr. Es ist ein globaler Wandel, der Geschäftsmodelle, Behördenstrukturen und internationale Zusammenarbeit neu definiert.

Ich durfte die adesso business consulting AG bei diesen Tagungen vertreten und teile meine Einsichten aus dem vitalen Umfeld im Rahmen dieses Blogbeitrags.

Abb. 1: Beim E-Invoicing Exchange Summit in Singapur

Vernetzung vor dem Startschuss

Schon das Icebreaker-Event vor Tag 1 zeigte, worauf es künftig ankommen wird: Austausch. Teilnehmende aus 22 Ländern nutzten Fingerfood und Drinks, um erste Brücken zu schlagen und gaben damit den Takt für die folgenden Tage vor. Denn kaum ein anderes Thema ist momentan global so stark miteinander verknüpft wie E-Invoicing und E-Reporting.

Tag 1 und 2: Die Weltkarte der E-Invoicing-Mandate erweitert sich stetig

Regulatorischer Sturm und wachsende Komplexität

Über 25 neue nationale Mandate werden in den kommenden 2-3 Jahren erwartet. Und doch gleicht der Weg zur Umsetzung nirgends dem anderen. Während einige Länder tief integrierte Plattformen mit klarer Marschroute aufbauen, ringen andere noch mit grundlegenden Fragen.
Klar wurde: Die eigentliche Herausforderung beginnt nicht mit dem Mandat – sie beginnt danach. Systeme müssen skalieren, Datenqualität muss stimmen, Unternehmen müssen Prozesse neu denken. Ansonsten laufen sie Gefahr, ernstzunehmende Einbußen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu erleiden.

APAC als Motor der globalen Wertschöpfungskette

Die asiatisch-pazifische Region setzt stark auf grenzüberschreitende Interoperabilität. Doch internationale Standards und harmonisierte Rechtsrahmen fehlen vielerorts noch und erfolgen momentan eher bilateral. Die Folge: enorme Komplexität und ein Flickenteppich, der global agierende Unternehmen zunehmend belastet.

Best Practices: Von Vereinfachung bis KI-Einsatz

  • Singapur zeigt mit seinem Netzwerk sehr eindrucksvoll, wie ein einfaches, nutzerorientiertes Ökosystem zu hohem Marktvertrauen führt. Durch viele Anleitungen und YouTube-Videos wird dem Business das nationale E-Invoicing und die dazugehörenden Vorteile nähergebracht. Die Plattform bietet ein zentrales Portal, unterstützt C2B- und B2B-Zahlungen und wird kontinuierlich erweitert (Corner 6 ist live, Corner 7 folgt nächstes Jahr). Die klare Devise lautet: „KISS – Keep It Simple and Sharp“ – die Lösung soll Mehrwert für Unternehmen schaffen, nicht zusätzliche Aufgaben.
  • Malaysia möchte mit ihrem 5-Corner-Modell Peppol-Standards mit klaren Einsparpotenzialen für Unternehmen kombinieren. Das Land verfolgt eine Strategie bis 2030, die sie zur KI-Nation machen soll. Durch den Einsatz standardisierter Dokumente und automatisierter Prozesse können eigenen Aussagen zufolge Kosten um mehr als 60 % reduziert und Prozesse in der Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung von 20 auf 2 Minuten beschleunigt werden.
  • Indien beweist, dass ihr KI-Ansatz Milliarden von Transaktionen in Echtzeit prüfen kann und in der Lage ist, Mehrwertsteuerlücken zu identifizieren und zu schließen. Nach eigenen Aussagen werden im Jahr 2030 geschätzt 75 % der globalen B2B-Transaktionen elektronisch abgewickelt. Dies ist ein enormer Hebel zur Schließung von Steuerlücken.

Diese Beispiele belegen: Digitalisierung ist nicht nur Compliance – sie schafft quantifizierbaren Mehrwert.

Die Kehrseite: Fehlende Kommunikation und technische Unsicherheiten

In einigen Ländern fehlen klare Richtlinien, Sanktionen oder einheitliche Begriffe. Viele Unternehmen stehen vor dem Problem, dass ihre vermeintlichen E-Invoices nicht gültig sind. Standards allein reichen nicht – es braucht ein gemeinsames Verständnis, was erforderlich ist und getan werden muss.

Dies ist die Quintessenz, die der VeR (Verband elektronische Rechnungen) als Resümee nach den ersten elf Monaten der Rechnungsempfangspflicht in Deutschland zieht. Lediglich ca. 20 % aller Unternehmen senden elektronische Rechnungen zu, davon die meisten im EDI-Format und eben nicht im XRechnungs- oder ZUGFeRD-Standard. Unternehmen sehen die Einführung der E-Rechnung als reine Pflicht und nicht als Chance.

Tag 3: APAC Peppol Day – Peppol im Aufschwung

Peppol wächst rasant. Neue Jurisdiktionen, Millionen weitere Teilnehmende und der stetige Ausbau von PINT zeigen: Die Welt bewegt sich auf ein gemeinsames, interoperables Fundament zu.
Der Trend geht klar in Richtung CTC (Continuous Transaction Control) – also die direkte Verknüpfung von Rechnungsübermittlung und Steuerreporting im Rahmen des 5-Corner-Modells. Damit rückt auch die Infrastruktur in den Fokus: Skalierbarkeit, Sicherheit, Zertifizierung und verlässliche Governance werden zur Voraussetzung für die nächste Evolutionsstufe.

Peppol wird zunehmend zur bevorzugten Plattform für Mandate, sowohl für B2G- als auch für B2B-Prozesse. OpenPeppol präsentierte beeindruckende Zahlen: 25 % Wachstum der Anzahl an Peppol-Authority-Jurisdiktionen, 36 % mehr Peppol-Mitglieder sowie eine massive Steigerung von 67 % an Teilnehmenden des Peppol-Netzwerks. Insgesamt sind mittlerweile knapp 2,5 Millionen Peppol-IDs registriert. Der Hintergrund ist hierbei ersichtlich: Die Regulatorik zwingt Unternehmen dazu, sich an neue elektronische Standards anzupassen. Weitere Informationen zu Peppol erhalten Sie hier in einem anderen Blogbeitrag von uns.

Abb. 2: Der APAC Peppol-Day

Die Zukunft arbeitet in 5-Corner-Modellen

APAC denkt ambitioniert, pragmatisch und datengetrieben. Ob Singapur, Malaysia oder die Vereinigten Arabischen Emirate: Die Region baut auf 5-Corner-Modelle, klare Zeitpläne und hohe Transparenz für Unternehmen. Auch Belgien wird als erstes europäisches Land ab 2028 das 5-Corner-Modell implementieren. Die Mandate werden mit sauberen Datenmodellen auf Basis der Europäischen Norm 16931 vorbereitet.

Die Region setzt auf einheitliche Standards: Peppol entwickelt sich von einem reinen E-Invoicing-Netzwerk hin zu einem umfassenden Instrument für E-Reporting. Dies zeigt vor allem das ambitionierte Umsetzungsvorhaben der Vereinigten Arabischen Emirate, wo ein 5-Corner-Modell implementiert wird, das E-Invoicing mit E-Reporting kombiniert. Dieses Modell verlangt, dass ASPs (Accredited Service Providers) sämtliche Rechnungen an die Steuerbehörde übermitteln. Ab Januar 2027 wird dieser Ansatz für alle großen Steuerzahlenden zum neuen Standard.

Auch vor Australien und Neuseeland macht E-Invoicing keinen Halt. Ab Juli 2026 sollen 30 % aller Rechnungen in Australien im B2G-Bereich elektronisch empfangen werden. Ziel ist ein nahtloser Prozess, bei dem Steuerpflicht und Zahlung in einer einzigen Transaktion abgewickelt werden sollen („Tax 3.0“). In Neuseeland werden ab Januar 2026 Unternehmen, die mehr als 2.000 Rechnungen pro Jahr ausstellen, verpflichtet, elektronische Rechnungen zu verwenden. Davon müssen 95 % der Rechnungen innerhalb von fünf Werktagen bezahlt werden.

Technologische Infrastruktur im Fokus

Peppol arbeitet kontinuierlich an der Verbesserung der Netzwerkarchitektur. Die SML (Service Metadata Locator) wird nun zentral bei der Europäischen Kommission gehostet, während die Migration und der Betrieb zunehmend insourcing-orientiert erfolgen. Mittelfristig soll ein föderales SML-Modell die Sicherheit und Skalierbarkeit erhöhen. Langfristige Visionen sehen die Integration von Blockchain, KI und Datenräumen vor, um Authentizität, Integrität und Vertraulichkeit von Transaktionen weiter zu steigern.

Zudem wird zeitnah das neue Peppol International (PINT)-Modell nach Veröffentlichung der neuen EN 16931 veröffentlicht, das in Peppol BIS 4.0 als neue Rechnungssyntax und -semantik münden wird.

Herausforderungen für Unternehmen

Das Feedback der anwesenden Steuerbehörden zeigte aber auch, dass bei den Unternehmen die Datenqualität weiterhin die größte Hürde bleibt. Nur mit sauberen Stammdaten können saubere elektronische Rechnungen erzeugt werden, da sie ab sofort ausnahmslos die Basis für eine elektronische Rechnung bilden. Die Unternehmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten beispielsweise müssen sich an die EN 16931 anpassen und von nun an die Pflichtfelder „Adresse“ oder „Hausnummer“ nutzen. Was sich aus deutscher Perspektive selbstverständlich und lapidar anhört, ist in Dubai oder Abu Dhabi, wo weniger die Adresse, sondern mehr der Name der Villa und die Etage eine Rolle spielt, ein ernstzunehmendes Problem. Alle Unternehmen müssen sich von nun an diesen Herausforderungen stellen.

Fazit: Zusammenarbeit ist der neue Wettbewerbsvorteil

E-Invoicing, E-Reporting und daher eingehende Steuercompliance sind nicht isolierbare Projekte. Sie sind ein globales Netzwerk aus Standards, Datenqualität, Zusammenarbeit und Technologie. Die Zukunft hängt nicht nur von Technologie ab, sondern auch von enger Zusammenarbeit zwischen Behörden, Service Providern und Unternehmen. Standards, Datenqualität und klare Rollout-Pläne sind der Schlüssel, um die Vision eines global interoperablen Netzwerks Wirklichkeit werden zu lassen. Daraus resultieren regelmäßige Änderungen.

Ob Europa, Asien, der Pazifik oder der Nahe Osten – die Ziele sind ähnlich, die Wege immer unterschiedlich. Doch eines ist ersichtlich: Die Zukunft gehört denen, die frühzeitig harmonisieren, Daten sauber halten und in den regelmäßigen Austausch gehen. Denn E-Invoicing ist nicht nur ein Trend – es ist die neue Infrastruktur der digitalen Wirtschaft.

Wir als adesso business consulting AG können Sie mit unserer E-Invoicing- und E-Reporting-Expertise beraten. Wir helfen Ihnen mit unserer Erfahrung dabei, Ihren Weg durch den E-Invoicing-Dschungel zu schlagen und unterstützen Sie dabei, die passende E-Invoicing-Lösung für Ihre IT-Systemlandschaft zu finden, die Ihren Bedingungen gerecht wird.

Melden Sie sich gerne bei uns für ein erstes Kennenlerngespräch – wir freuen uns auf Sie!

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Ein Beitrag von:

Aleksandar Lukic

Aleksandar Lukic ist Senior Consultant für das SAP-Modul Financial Accounting bei adesso business consulting und begleitet Kunden bei SAP S/4HANA-Rollouts. Zusätzlich leitet er eine Workgroup für das Thema E-Invoicing, E-Reporting und E-Compliance und ist führender Ansprechpartner. Weiterhin agiert er als Projektleitung für E-Invoicing-Projekte sowie Rollouts.
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